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Mann soll in mindestens 112 Fällen Kindesmissbrauch begangen haben

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Von: Barbara Czernek

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Vertrauen missbraucht: Ein 51-Jähriger ist seit Dienstag vor dem Landgericht Gießen in mindestens 112 Fällen schweren Kindesmissbrauchs angeklagt. (Symbolbild)
Vertrauen missbraucht: Ein 51-Jähriger ist seit Dienstag vor dem Landgericht Gießen in mindestens 112 Fällen schweren Kindesmissbrauchs angeklagt. (Symbolbild) © Imago Sportfotodienst GmbH

Ein heute 51-Jähriger soll die minderjährige Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin etliche Male vergewaltigt haben. Dafür muss er sich jetzt vor dem Landgericht Gießen verantworten.

Gießen/Friedberg - Ein besonders schwererer Fall von sexuellem Kindesmissbrauch wird seit Dienstag (31. Mai) vor der siebten großen Strafkammer des Landgerichts Gießen verhandelt. Ein 51-jähriger Mann, der heute in Groß-Gerau lebt, muss sich wegen mindestens 112 Fällen des schweren Kindesmissbrauchs verantworten.

Der Angeklagte, ein nicht allzu großer, etwas untersetzter Mann mit leicht schütterem Haar, hörte der Anklageverlesung ruhig und sichtlich entspannt zu. Er lehnte es jedoch ab, sich zu den Tatvorwürfen zu äußern.

So blieb es der Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin nicht erspart, vor dem Gießener Gericht auszusagen. Zu ihrem Schutz wurde jedoch die Öffentlichkeit für die Dauer ihrer Aussage ausgeschlossen.

Gerichtsprozess in Gießen: Missbrauchsgeschichte begann 2009

Anschließend gab eine Polizeibeamtin Auskunft über die Geschehnisse, die die damals 17-Jährige ihr 2016 berichtete. Sie bescheinigte ihr ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Laut ihrer Aussage begannen die sexuellen Übergriffe am 14. Oktober 2009.

Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer elf Jahre alt. Das Kind hatte heftige Bauchschmerzen, weil es zum ersten Mal seine Periode bekommen hatte. Deswegen durfte es im Bett bei ihrer Mutter schlafen, in dem auch ihr damaliger Freund, der jetzige Angeklagte, schlief. Da habe er sie das erste Mal angefasst, sie in ihrem Intimbereich berührt.

Immer wieder sei es anschließend zu sexuellem Missbrauch bis hin zum Geschlechtsverkehr gekommen. »Sie sagte mir, dass es immer passierte, wenn sie mit ihm alleine gewesen sei«, berichtete die Polizeibeamtin: Im Kinderzimmer, im Auto oder beim gemeinsamen Zelten, überall kam es zu den Übergriffen. Einmal habe die Mutter ihren Freund mit dem Mädchen erwischt, doch der Missbrauch ging zunächst einmal weiter.

Missbrauchsprozess in Gießen: Opfer immer wieder aufgesucht

2011 wurde das Mädchen, samt ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester, vom Jugendamt aufgrund eines anonymen Hinweises von der Familie getrennt und in eine Jungendeinrichtung untergebracht, weit weg von zu Hause. Dadurch waren die Übergriffe zunächst gestoppt.

Allerdings besuchte der Ex-Lebensgefährte das Mädchen immer wieder dort, nahm sie in seinem Auto mit, und der schwere sexuelle Missbrauch begann erneut, in einem Zelt in einem Waldstück in der Nähe des Jugendheimes. Dies ging so lange weiter, bis sich das Mädchen eine Betreuerin anvertraute.

Bei der Aussage der Polizistin kam auch heraus, dass das Mädchen und seine Betreuerin bereits 2014 einen Anwalt aufgesucht hatten und ihm die Sachlage geschildert hatten. Dieser hatte jedoch nichts unternommen, sodass sich die Jugendliche schließlich 2016 selbst entschloss, Anzeige gegen den ehemaligen Liebhaber ihrer Mutter zu erstatten.

Der Vorsitzende Richter, Peter Neidel, fragte die Polizeibeamtin, wie und ob auch das Thema Verhütung besprochen worden sei. Die Beamtin erklärte, dass ihr die Jugendliche berichtete habe, dass der Angeklagte gemeinsam mit der Mutter die Pille für sie organisiert habe.

Missbrauchsprozess in Gießen: In verfänglicher Situation angetroffen

Später, als die Jugendliche nicht mehr zu Hause wohnte, habe es ungeschützten Verkehr gegeben und er habe zu ihr gesagt: »Ich will ein Kind von dir.« Die Mutter des Opfers, eine 50-jährige Frührentnerin, die mittlerweile in Nordrhein-Westfalen lebt, will erst 2018 durch die Ermittlungen der Polizei von dem Missbrauch erfahren haben.

Auf Nachfrage über den Vorfall, dass sie die beiden doch einmal nachts im Kinderzimmer ihrer Tochter in einer verfänglichen Situation angetroffen habe, sagte sie, dass ihre Tochter ihr gesagt hätte, dass sie es sich selbst gemacht hätte. »Das habe ich ihr geglaubt«, betonte sie. Wessen Hand wo gewesen sei, das habe sie nicht sehen können, da es ja dunkel gewesen sei. Dabei hätte sie es belassen.

Auch auf das Insistieren der Staatsanwältin Yvonne Vockert, dass sie doch wohl schon einen Verdacht gehabt habe müsse, da sie leise zu dem Zimmer geschlichen sei, wies sie zurück, erklärte: »Ich habe von nichts gewusst«. 2014 hat sie sich von dem Angeklagten getrennt, weil er ihr untreu geworden war. Für diesen aufwendigen Prozess sind zehn weitere Verhandlungstage angesetzt.

Urteil in anderem Missbrauchsfall gefallen

Erst Mitte Mai fiel vor dem Landgericht in Gießen das Urteil gegen einen anderen Missbrauchstäter. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 32-Jährige seine Tochter in 60 Fällen sexuell missbraucht hat. Er wurde zu elf Jahren Haft verurteilt.

Missbrauchsprozess in Gießen: Weitere Anklagen zusammengezogen

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten mindestens 112 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung an der Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin zur Last. Die Taten sollen sich zwischen 2009 und 2012 ereignet haben.

Doch das ist nur ein Teil der Taten, die er begangen haben soll, denn in einer zweiten Anklage werden ihm weitere Sexualverbrechen vorgeworfen, wie der schwere sexuelle Missbrauch und die Vergewaltigung seiner eigenen Tochter sowie anderer junger Mädchen. Auch soll er seinen Sohn und seine Tochter, die zu dem Zeitpunkt beide unter zehn Jahre alt waren, gezwungen haben, miteinander sexuell intim zu werden.

Diese Taten erstrecken sich in einem Zeitraum von 1996 bis 2011. Beide Anklagen wurden nun zu einem Verfahren zusammengezogen. Dementsprechend komplex ist der Sachverhalt und ebenso lang ist die Zeugenliste. Zunächst werden jedoch die Tatvorwürfe behandelt, die in Zusammenhang mit der Tochter seiner Ex-Freundin stehen. (Barbara Czernek)

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