46ers-Werbung: Vandalismus mit Billigung der Stadt?

Die Nutzung einiger Kunstwerke zur Werbung in der 46ers Woche sorgt für Ärger. Bildhauer Seemann nennt die 46ers-Aktion an »seinen« Schwätzern »widerrechtlich«. Auch der Künstlerbund übt Kritik.
Gießen (mö). In die Beletage des deutschen Basketballs zurückgekehrt, den Meister geschlagen und die »Osthölle« wiederbelebt: Gießen hat sich in den vergangenen Wochen als Basketballstadt eindrucksvoll zurückgemeldet. In der Vorfreude auf die Bundesliga haben die Gießen 46ers und die Stadt an einer Stelle aber womöglich eine Grenze überschritten. Denn die – mittlerweile beendete – Nutzung einiger Kunstwerke zur Werbung für das sportliche Aushängeschild Gießens sorgt für Kritik. Bildhauer Hans-Henning Seemann, der die »Drei Schwätzer« in der Plockstraße geschaffen hat, nennt die Bemalung seiner Skulpturen mit den roten 46ers-Trikots »widerrechtlich«.
Der in Löchgau bei Ludwigsburg lebende Künstler sagte der Gießener Allgemeinen Zeitung: »Die Stadt hätte mich fragen müssen, ob ich dieser Aktion zustimme. Das hat man aber nicht getan, und ich wäre damit auch nicht einverstanden gewesen.
« Wie Seemann erklärte, habe er 1983, als seine Schwätzer im Auftrag der Volksbank aufgestellt und der Stadt Gießen gestiftet worden seien, keineswegs alle Rechte an den Figuren abgetreten. Veränderungen wie eine andere Gestaltung der Oberfläche dürften nicht ohne seine Zustimmung vorgenommen werden. Eine Aktion für einen Tag hätte er vielleicht akzeptiert, aber nicht über einen derart langen Zeitraum. »Optische Veränderungen sind unzulässig. Und es ist auch nicht der Zweck von Kunstwerken im öffentlichen Raum, als Werbeträger zu dienen«, betonte Seemann. Mithin sei die Bemalung der Schwätzer im Grunde nichts anderes als Vandalismus mit Billigung der Stadt. »Eine strafbare Handlung«, meinte Seemann. Strafrechtlich verfolgen will er die Aktion aber nicht. »In ganz Deutschland stehen über 100 Skulpturen von mir. Ich kann nicht überall den Staatsanwalt hinterherschicken, wenn irgendwo mit meinen Figuren etwas passiert«, sagte der 81-Jährige. Für die Wahrung der Interessen von Künstlern gebe es den Bundesverband Bildender Künstler/innen (BBK).
Eben der hatte sich am Wochenende in einer Presseerklärung an die GAZ gewandt und die Nutzung der Schwätzer und des Kugelbrunnens zu Werbezwecken kritisiert. Volker Karl Schönhals, Vorsitzender des BBK in Hessen: »Hier wurde offenkundig das Urheberrecht verletzt.« Das Mindeste wäre eine Entschuldigung bei den Künstlern bzw. deren Nachfahren. Schönhals: »Auch die Ver›ball»hornung des Kugelbrunnens von Ruth Leibnitz, die sich leider nicht mehr selbst zu Wort melden kann, ist vielleicht für den ein oder anderen ganz lustig; es ist und bleibt aber Werbung. Und dies immer mit einem kommerziellen Hintergrund. Darf man diesen Kunstwerken dies antun? Hier fehlt das Feingefühl für die Dinge. Es ist aggressiv und im höchsten Maße übergriffig.«
Stadt: »Nicht anstößig«
Die Stadt sieht das anders. »Wir haben der Aktion zugestimmt, da die Figurengruppe nicht dauerhaft verändert oder beschädigt wurde«, sagte Sprecherin Claudia Boje und wies darauf hin, dass »die Schwätzer – eben weil sie ein so integraler Bestandteil der Innenstadt sind und so geliebt werden – schon häufiger dekoriert wurden«. Dies unterstreiche doch nur den Wert des Kunstwerks für die Stadt. Boje: »Wir würden uns freuen, wenn der Künstler sich mit uns darüber freuen könnten, dass seine Figuren quasi zur Stadtbevölkerung zählen. Für Stadtraumgestaltung kann es nichts Lebendigeres geben. Daran finden wir nichts anstößig, zumal – wie gesagt – keine dauerhafte Veränderung vorgenommen wurde.