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30 Jahre ungelöste Konflikte

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Von: Sebastian Schmidt

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Politologin Sabine Fischer bezeichnet Russland als »Schlüsselakteur« in zahlreichen regionalen Konflikten. SCREENSHOT: SEG © Sebastian Schmidt

Russland nimmt militärischen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss in nahezu allen Konflikten in seiner Nachbarschaft - und das nicht erst seit dem Ukraine-Krieg, sagte die Politologin Sabine Fischer in der Ring-Vorlesung des JLU-Präsidenten. Sie zeichnete vier Konflikte nach und erklärte Russlands Ambitionen.

Konflikte im Osten der Europäischen Union haben in der Vergangenheit im Westen nur wenig Aufmerksamkeit bekommen. Das sagte Sabine Fischer am Montagabend zu Beginn ihres Vortages im Rahmen der Ringvorlesung des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität. In 90 Minuten führte die Politikwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik dann das Publikum durch mehrere regionale Konflikte und zeigte jeweils Russlands Rolle darin.

Am leichtesten zu lösen

Den Beginn machte der Konflikt in Transnistrien, der 1992 in einem Krieg gegipfelt hatte. Es sei darin um ökonomische Verteilungskämpfe gegangen, erklärte Fischer. Transnistrien spaltete sich schließlich von Moldau ab. »In Deutschland wurde der Konflikt immer als der am leichtesten zu lösende Konflikt bezeichnen.« Das habe daran gelegen, dass es keine »ethno-nationalistische« Komponente gegeben habe. Trotzdem dauert der Konflikt bis heute an. Seit der Abspaltung seien russische Truppen in Transnistrien stationiert, das Land sei sowohl militärisch als auch wirtschaftlich von Russland abhängig.

Der nächste Konflikt, den Fischer anriss, war in der Region Abchasien ausgebrochen, welche die Unabhängigkeit von Georgien wollte. »Der Konflikt hat bereits eine sehr lange Vorgeschichte«, sagte die Politikwissenschaftlerin. Die Ursache liege in der sowjetischen Nationalitätenpolitik. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen 1992 und 1994 habe es rund 10 000 Tote und 250 000 Vertriebene gegeben. Moskau habe schließlich einen Waffenstillstand ausgehandelt und eine Friedenstruppe aus ausschließlich russischen Truppen aufgestellt.

Das war jedoch nicht der einzige Konfliktherd in Georgien. Von 1991 bis 1992 gab es bereits Krieg in der Region Südossetien, damals waren 1000 Menschen gestorben. »Auch hier war das Ergebnis, dass Tiflis die Kontrolle verloren hat«, erklärte Fischer. Wieder habe Russland den Waffenstillstand vermittelt. Im Gegensatz zu Abchasien wollte Südossetien jedoch keine Unabhängigkeit, sondern die Vereinigung mit dem russischen Nordossetien.

2008 gipfelten diese Auseinandersetzungen schließlich im Krieg zwischen Russland und Georgien. Fischer sagte: »Die georgische Bevölkerung wurde fast vollständig von Südossetien vertrieben.« Russland erkannte daraufhin Abchasien und Südossetien als unabhängig an.

Ein weiterer Konflikt, über den Fischer redete, spielte sich in Nagorno-Karabach ab und gipfelte sowohl 2016 als auch 2020 in bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Hier wurde Armenien von Russland unterstützt, aber Aserbaidschan habe mit türkischer Unterstützung einen Sieg erringen können.

Zum Schluss fasste Fischer die Rolle Russlands in all diesen Konflikten zusammen. Das Land zeige immer wieder die gleichen vier Elemente »revisionistischer Politik«: Russland zeige militärische Präsenz oder interveniere sogar selbst mit dem Militär. Russland unterstütze die Länder mit seinem politischen Einfluss. Bis auf Nagorno-Karabach betreibe Russland eine »Naturalisierung«, biete den Menschen in den »unabhängig« werdenden Ländern eine Einbürgerung an. Und schließlich leiste es auch wirtschaftliche Unterstützung. Fischer sagte: »Russland ist ein Schlüsselakteur in all diesen Konflikten.«

Alle bisherigen Beiträge der Ringvorlesung sind im Internet abrufbar unter: www. uni-giessen.de/ringvorlesung.

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